Einführung: Daniel war 10 Tage bei mir auf Besuch und dies ist sein Gasteintrag.
Wie immer ist er der Geschichtslehrer und ich der Philosoph.
Viel Spass beim lesen.
23 Jahre
Krieg
1975 erobert die Rote
Khmer auch Phnom Penh und übernimmt somit Kambodscha völlig. Bis wenige Stunden
vor dem Einmarsch der Rebellen sind die letzten amerikanischen Truppen von der
Hauptstadt per Luftweg evakuiert worden. Sie haben die Bevölkerung sich selbst
überlassen. Sie haben bis 1975 Kambodscha flächendeckend zugebombt um den
Vietcong, welcher sich im Land befand, zu stoppen den „Ho Chi Minh“ Pfad zu
benützen sowie die Rebellen der Khmer Rouge zu schwächen. Dabei sind 600‘000
Menschen ums eben gekommen. Die, die alles verloren haben, dank den B52er
Bomber, sind in Scharen der Roten Khmer in den Jungel gefolgt um gegen die, von
den USA unterstützte Regierung von Lon Nol zu kämpfen. Pol Pot, der Anführer der
Rebellengruppe lies kurz nach dem Sieg sämtliche Städte evakuieren und zwang die
gesamte Bevölkerung in einem Agrar-Utopia in Arbeitslagern zu arbeiten. Alles
westliche sowie Bildung wurde als „Böse“ betrachtet und musste eliminiert
werden. Sämtliche gebildeten Menschen, Menschen die eine Fremdsprache sprechen
konnten, Mönche, Lehrer, Ärzte usw. wurden hingerichtet. Schon das tragen einer
Brille reichte aus um zu den „Killing Fields“ gebracht zu werden. Während
dreieinhalb Jahren regierte die Rote Khmer mit Terror in Kambodscha und es
starben fast 2 Millionen Menschen. Ein Viertel der damaligen Bevölkerung. 1977
wechselte ein bis dahin unbekannter Mann namens „Hun Sen“, welcher Kommandeur
eines Rote Khmer Regiments im Osten des Landes war, die Seiten und flüchtet nach
Vietnam, wo er die „Cambodias People Party (CPP)“ gründete.
1979 sind die Truppen von
Pol Pot in Vietnam eingefallen und haben ganze Dörfer inklusive ihrer Frauen und
Kinder hingerichtet. Darauf hat Vietnam Kambodscha innert kürzester Zeit besetzt
und die Rote Khmer in den Nordwesten des Landes zurückgedrängt. Hun Sen kam mit
den Vietnamesen zurück nach Kambodscha und wurde von diesen als Marionettenfigur
an die Spitze des Staates gestellt.
Die USA haben gerade vier
Jahre zuvor den Krieg gegen Vietnam verloren und nutzten nun die Gelegenheit um
die Rote Khmer mit Waffen und Hilfsgütern zu versorgen um gegen das
kommunistische Vietnam zu kämpfen.
Als 1989 die Mauer in
Berlin viel und das Ende der Sowjetunion einläutete, konnte sich das neue
Russland die Unterstützungszahlungen an ihre Genossen in Vietnam nicht mehr
leisten. Ohne die Finanzhilfe vom Ostblock war die Besetzung von Kambodscha für
Vietnam auch nicht mehr tragbar und die Besetzer zogen sich zurück. Hun Sen
blieb an der Macht und erhielt die staatliche Autonomie über
Kambodscha.
Mit dem Rückzug der
Vietnamesen und der neuen Armee von Kambodscha wurde der Kampf gegen die Rote
Khmer zu einem Bürgerkrieg der bis 1998 andauern sollte. Der Ort „Anlong Veng“
war die letzte Festung der Roten Khmer. Ganz im Norden des Landes direkt an der
Grenze zu Thailand.
Hun Sen wurde bis heute
an zwei offiziellen Wahlen (Eine davon unter der Führung der UN, 1993)
abgewählt. Er hat sich dennoch durch Militärputsche, totaler Korruption sowie
Unterdrückung jeglicher Opposition bis heute die unangefochtene Macht im Land
erhalten.
Anlong
Veng
Wir fahren die 80 km von
der Tier-Auffangstation von Lukas mit dem Roller nach Anlong Veng ganz in den
Norden hinauf. Die Menschen, die in Anlong Veng leben, haben 23 Jahre lang unter
der Roten Khmer gelebt und viele sind selbst Rebellen gewesen. Kinder, die im
Krieg in diesem Gebiet geboren wurden, wurden oft zu Kindersoldaten, sobald sie
alt genug waren. Alternativen? Flucht durch die Minenfelder! Lukas und ich
checken in einem schönen, ruhigen Guesthouse mit „Seeblick“ ein und erkunden die
Stadt. Viele Leute tragen Militärkleidung und manche Männer schauen uns schon
fast bösartig nach. Ihre steinharten Gesichter verfolgen mich noch auf dem Weg
zu Haus von Ta Mok. Ta Mok war einer der obersten Führer der Roten Khmer und
sein ehemaliges Haus kann heute besichtigt werden. Die Überreste einer mobilen
Radiostation von Pol Pot waren für Lukas und mich der Anlass für eine
ausgedehnte Fotosession. Erst nachträglich fanden wir heraus womit wir uns da
vergnügt haben. Das Grab von Pol Pot ist auf einem Berg nahe der Grenze zu
Thailand. Im strömenden Regen kommen wir am Grenzposten zu Thailand an und
besuchen sein Grab. Der ältere Herr, der in einer kleinen, schäbigen Holz-Hütte
das Eintrittsgeld verlangt, hat seinen überaus furchteinflössenden Blick auf uns
gerichtet. Er reagiert nicht auf meine Fragen und hält dann plötzlich zwei
Finger hoch. Wir geben ihm je zwei Dollar und dürfen dann zum Grab eines
Genozid-Verantwortlichen laufen. Es ist trostlos und unspektakulär. Keine
Menschenseele da und der strömende Regen hilft der tristen Stimmung ihren
letzten Schliff zu geben. Das wirklich unheimliche an der ganzen Sache war der
alte Mann mit dem beinahe wahnsinnigen Blick, der das Geld
einkassierte.
Am nächsten Tag besuchten
wir noch die zwei Märkte von Anlong Veng und fuhren am Mittag wieder zurück. Wir
haben keinen einzigen Touristen gesehen während den zwei Tagen. Deshalb waren
wir wohl für viele Einwohner von Anlong Veng eine unerwartete, kleine Sensation
gewesen. Die Menschen starrten uns nach und abgesehen von einigen düsteren
Gesellen waren die Leute überall wo wir hinkamen überaus freundlich zu
uns.
Bis vor einigen Jahren
war der 80 km lang weg den wir abfuhren noch dichter Jungel. Heute ist es mehr
eine Savanne. Auf dem Weg sehen wir unzählige Holztransporte und Schreinereien,
die sich auf Möbel mit Tropenholz spezialisiert haben. Und wir befinden uns in
mitten eines geschützten Nationalparks! 33 Jahre lang einen korrupten Tyrannen
an der Macht zu haben wie Hun Sen geht nicht spurlos an einem Land
vorbei.
Daniel